Warum man bisher Rocket League auf Englisch gucken muss.
Wir schreiben den 24.08.2018, Köln-Messe, Gamescom. Um 10 Uhr sitze ich auf einer Messebühne um über Rocket League zu sprechen. Eine Handvoll Besucher lässt sich von der frühen Messestunde nicht abschrecken und hört dem „Talk“ zu. Im Livestream kann man dem Gespräch ebenfalls folgen. Wie Rocket League in Zukunft auf deutscher Ebene funktionieren kann, werde ich gefragt. Kein schlechtes Thema. Seit Anfang 2017 beschäftige ich mich selbst damit: Mit der Frage ob und wie Rocket League als Esport in Deutschland funktionieren kann. Eingeladen zu diesem Gespräch hat ein Veranstalter, der kürzlich erst ein eigenes Turnier veranstaltet hat.
Business-Talk auf der Gamescom 2018 (v.l.n.r.) Robin Rottmann, Pascal Brand, Jonas Schaffrick, Arne Löffler (Foto: Moritz Jedral)
Meine Bilanz fällt nüchtern aus. Einzelevents seien schön und gut, sage ich, würden aber keine Szene aufbauen. Ich behaupte, man müsse anfangen wöchentliches Esports Programm auf Deutsch zu entwickeln. Was ich mir denn für die Zukunft wünschen würde, fragt man mich. Meine Aussage lässt sich auf: Mehr Rocket League auf Deutsch und deutsche Übertragungen der internationalen Turniere zusammenfassen. Die wichtige Frage, die niemand stellt, ist, warum es denn keine größere deutsche Szene gibt, so wie in Frankreich, oder Großbritannien. Warum haben wir kein Äquivalent zur Gfinity oder den französischen Kommentatoren bei ‚Rocket Baguette’?
Natürlich möchte man lieber nach vorn schauen, als sich um Versäumnisse in der Vergangenheit zu kümmern. Auch war diese Thematik für diese Bühne und Uhrzeit gar nicht vorgesehen. Aber man hat das Thema leicht gestreift. Eine gute Gelegenheit es jetzt wieder aufzugreifen.
Rocket League – die Anfänge des Esports in Deutschland
Beginnen wir mit einem Blick zurück auf das, was bisher passiert ist. Nach der Veröffentlichung von Rocket League dauerte es etwa ein Jahr bis zur ersten RLCS. Das erste große internationale Live-Event, war die Grundsteinlegung zur Etablierung im Esport. Die Zuschauerzahlen im internationalen englischen Markt waren hervorragend. Wachstum bei den internationalen Zuschauern von der einen Saison zur nächsten. Dann mit Beginn der dritten Saison kamen die sogenannten ‚Language-Streams’ auf. Von Twitch selbst ins Leben gerufen konnte man ab März 2017 Rocket League sogar auf Deutsch ansehen. BackFlipBoysTV hießen wir damals und produzierten unsere Sendung aus einem Studio in Berlin.
(v.l.n.r.) Arne Löffler, Niklas Kolorz, Pascal Schuster; Kommentatoren der BackFlipBoys (Foto: Arne Löffler)
Ich war einer der Kommentatoren und reiste an den Wochenenden quer durch das Land. Das Projekt lief unter optimalen Bedingungen besser als erwartet. Jedoch waren wir auf die sogenannte ‚Frontpage’ angewiesen. Wenn wir nicht auf der Startseite von Twitch.de auftauchten, fanden uns viel wenige Zuschauer. Wir waren also noch kein eigenständiges Programm, das von sich selbst aus genügend Aufmerksamkeit bekommen hätte. Trotz kleinerer technischer Ausfälle stellten wir ein regelmäßiges Programm auf die Beine. Was natürlich einen großen Spaß machte. Doch die Euphorie verließ uns nach dem Ende der dritten Saison, als klar wurde, dass wir weder ‚ELEAGUE’, noch ‚Gfinity’, (noch) ‚Dreamhack’, (noch) die ‚Summer Series’ oder sonst irgendein Rocket League Turnier zwischen der dritten und vierten Saison würden zeigen können. Mit Beginn der vierten RLCS Spielzeit, hatten wir monatelang keine Sendung mehr bringen können. Hinzu kam, dass wir aus Budgetgründen nur noch die letzten Sendewochenenden aus unserem Studio in Berlin produzieren konnten. Die anderen Sendetermine mussten von Heimstudios aus gesendet werden. All diese Faktoren ließen unsere Zuschauerzahlen gehörig einbrechen. Als dann klar wurde, dass wir 2018 mit unserem Programm nicht mehr weiter machen konnten, waren wir mit Beginn der fünften Saison wieder verschwunden.
Das Aus konnten wir damals nicht verhindern. Nur hätte man es leider auch nicht besser machen können. Manchmal passiert so etwas nun Mal, wenn die Zeit noch nicht reif ist.
Perspektiven für die Zukunft
Die deutsche Szene muss also wieder von neuem aufgebaut werden. Doch man stelle die Fragen voran: Welche Ziele gilt es anzustreben? Welche Formate sind sinnvoll und welche unnötig? Womit fängt man an?
Die simpelste Antwort wäre wohl, dass es ein regelmäßiges deutsches Programm geben müsste. Ein Format, dass mindestens wöchentlich in deutscher Sprache Programm zum Thema Rocket League sendet und live streamt.
Wer auf Twitch.tv und Co. überleben will, der muss regelmäßig auf Sendung sein. Ein einzelnes Event kann neue Zuschauer anziehen. Dann müssen regelmäßige Übertragungen diese auch halten. Im großen Esports Business weiß das jeder. League of Legends zum Beispiel kann man fast täglich, und das ganze Jahr über, live im Netz ansehen. In der Schnelllebigkeit des Internets wird schnell vergessen, was länger als eine Woche her ist.
Das klingt etwas übertrieben? Ein Extrembeispiel: Logan Paul. Wirft Anfang des Jahres öffentlich sämtliche Moral, Ethik und Anstand über Bord. Ein riesiger Skandal, vor allem in den klassischen Medien der USA. Und heute? Interessiert das keinen mehr. Ein halbes Jahr? Im Netz ist das eine Ewigkeit.
Doch als zweites muss natürlich die Frage gestellt werden: Welche Programme sollten das sein? Worauf kann man setzten? Da kommen zunächst die großen internationalen Turniere in den Sinn. Dort sind die besten Spiele zu sehen, mit denen kann man Zuschauer gut unterhalten. Doch eine deutsche Übertragung müsste sich von der Philosophie soweit vom englischen Original unterscheiden, sodass sie mehr darstellt, als nur eine Übersetzung in die deutsche Sprache. Denn eine Übersetzung aus dem Englischen braucht heute niemand mehr. Es braucht einen inhaltlichen Mehrwert, der dem Zuschauer sonst entgeht. Zumal solch ein Vorhaben scheitern würde, wenn man nur die RLCS zeigt, wie es bei BackFlipBoysTV passiert ist. Alle internationalen und auch europäischen Turniere müssten übertragen werden. Doch das allein reicht nicht aus für eine deutschsprachige Szene. Die Zeitspanne zwischen zwei Turnieren dauert manchmal mehrere Wochen oder Monate. In solch einer Zeit, darf aber das Programm nicht aufhören. Es braucht also regelmäßige deutsche Produktionen, die diese Lücken füllen.
Auf diesem Gebiet sind wir gerade in einer Phase des Aufbaus. Nur wenige Veranstalter, wie Veritas Entertainment (College Cup Series) oder AllYourBase (TeamSpeak Esports Masters) veranstalten momentan überhaupt Events. Hier muss die Regelmäßigkeit noch deutlich ausgebaut werden.
RLCS Season 2 Finale (Foto: Arne Löffler)
Zuletzt ein Blick auf die Streamer und Influencer, die Rocket League momentan hat. Hier ist vielleicht der größte Nachholbedarf im deutschen Bereich von Nöten. Bisher kann kaum jemand mit seinem Livestream einen adäquaten Zuschauerwert, in Relation zu den Turnierzuschauern, erreichen. Genauso mangelt es auf Plattformen wie YouTube und Co. an innovativen deutschen Inhalten im Bereich Rocket League.
Und nun?
Wer kann da jetzt also weiterhelfen? Ein einzelner Player wird alleine nicht viel auf die Beine stellen können. Eine Verbesserung muss aus der Community selbst, von vielen Leuten, die sich engagieren möchten. Wir müssen mehr ausprobieren und selber machen, anstatt darauf zu warten, dass jemand anderes damit anfängt. Vielleicht schreibt man ein Magazin? Oder organisiert eine Streamer-Turnier? Natürlich braucht es für den großen Sprung Produktionsfirmen und Investoren, die ihr Geld in Rocket League stecken wollen, wie es sie bei den anderen Esports-Titeln ebenfalls gibt. Aber wir müssen ihnen diesen Leckerbissen erst wieder schmackhaft machen.